Düsseldorf 1929 (3): Kommunale Neugliederung

Was sich hinter dem etwas sperrigen und sehr bürokratischen Begriff „Kommunale Neugliederung“ verbirgt, ist eines der großen Themen des Jahres 1929. In diesem Jahr endeten vielen Traditionen und Selbstständigkeiten, von diesem Zeitpunkt an werden die Alteingesessenen sagen, das wäre ein großer Fehler gewesen. Am 1.August 1929 trat das „Gesetz zur Kommunalen Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes“ in Kraft und veränderte damit die Stadtgrenzen in zahlreichen Städten des heutigen Nordrhein-Westfalens und schuf sogar aus fünf Städten eine neue in der Nachbarschaft Düsseldorfs: Wuppertal (erst Barmen-Elberfeld) wurde (zwangs)geboren.
Ursächlich für diese Neugliederung war, dass die größeren Städte an Rhein und Ruhr immer mehr ins Umland gewachsen waren. Dadurch waren mehrere Probleme entstanden, die nach dem Krieg immer dringender wurden. Die Verarmung von Teilen der Bevölkerung stellte vor allem kleinere Gemeinden im Umland großer Städte vor große Probleme, der aufkommende Individualverkehr und stärker werdende Pendlervekehre verlangten nach einer strategischen Verkehrsplanung und die starke Modernisierungsbedüftigkeit der Infrastruktur und die gleichzeitige Belastung durch die Reparationszahlungen rief den Ruf nach Rationalität hervor. Außerdem waren die großen Städte sehr daran interessiert, die Steuern besonders vermögender Steuerzahler aus dem nahen Umland zu erhalten.
Düsseldorf hatte bereits 1909 mit mehreren Verträgen sein Stadtgebiet vergrößert und war durch die Eingemeindung von Heerdt/Oberkassel, Stockum, Rath, Gerresheim, Eller und Himmelgeist gewachsen. Anfang April 1922 wandten sich die Städte Essen, Duisburg und Düsseldorf an die Staats- und an die Besatzungsbehörden, um sich weitere Gemeinden „einzuverleiben“. Kaiserswerth, Lohausen, Kalkum, Wittlaer, Benrath, Garath, Baumberg und Monheim sollten zur Stadt hinzukommen. Doch aus den Plänen wurde erst einmal nichts, sie verschwanden in den Schubladen. Doch da blieben sie nicht lange: am 6.Dezember 1927 gab der preußische Innenminister in einem Erlaß den Auftrag die kommunale Neugliederung vorzubereiten. Am 25.Mai 1928 stellte Oberbürgermeister Lehr die Denkschrift der Stadtverwaltung vor: „Vorschläge der Stadt Düsseldorf zur kommunalen Neugliederung“: Die Vorstellungen der Stadt zogen sich von Angermund im Norden über Hilden im Osten, Monheim und Dormagen im Süden  bis nach Meerbusch einmal um die Stadt, lediglich Neuss blieb unangetastet, wäre dafür aber fast eingekreist gewesen.
(Die Karte orientiert sich an den „Skizzen zur Eingemeindung 1929“ [1], Abb.82, S.401] und ist stark schematisch. In beige die Stadtgrenzen vor 1929, in blau die Pläne der Stadt)

Es ist nicht verwunderlich, dass man damals angesichts dieser Vorstellungen der großen Städte vom „Kommunalen Imperialismus“ sprach. Der Oberbürgermeister argument- ierte, dass die Stadt Düsseldorf kaum noch Raum für Industrieansiedlung habe und deswegen Benrath/Reisholz brauche. Außerdem benötige die bergische Industrie einen neuen Industriehafen, der bei Urdenbach/Baumberg geschaffen werden sollte. Im Norden sollte vor allem neue, aufgelockerte Wohnbebauung entstehen, um die Mietskasernen in Düsseldorf zu entlasten, außerdem wollte er dort Industrieansiedlung verhindern, um deren Abgase bei Westwind nicht in der Stadt zu haben. Der Osten wurde ebenfalls zur „Wohn- und Erholungszone“ deklariert. Die Pläne stießen auf ein geteiltes Echo und Widerstände.
In Benrath bildete sich eine „bürgerliche Einheitsfront“ gegen die Eingemeindung, der Düsseldorf entgegen trat, indem es den Industriebetrieben (u.a. Henkel) Angebote und Versprechungen auf Vergünstigungen im Falle der Eingemeindung machte. Der Benrather Bürgermeister Custodis dachte derweil über eine Verfassungsklage nach. Im März sprachen sich Industrie- und Arbeitgeberverbände, das Handwerk, der Einzelhandel, DDP, DNVP, DVP und das Zentrum für die Selbstständigkeit der Stadt aus.
In Kaiserwerth standen sich Bürger und Geschäftsleute gegenüber. Die einen hofften auf Eigenständigkeit, die anderen tendierten zur Eingemeindung nach Düsseldorf. In Lohausen kämpfte man für einen Anschluss an ein selbstständiges Kaiserswerth und fürchtete beim Anschluss an Düsseldorf höhere Steuern und die „großstädtischen Immobilienmakler“.
Am 29.Juli 1929 waren schließlich alle Kämpfe vorüber. Der preußische Landtag beschloss in Abschnitt XII des „Gesetzes zur Kommunalen Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes“:

„§30. In die Stadtgemeinde Düsseldorf werden aus dem Landkreis Düsseldorf eingegliedert:
a) die Landgemeinde Benrath
b) die Landgemeinde Garath
c) die Landgemeinde Lohausen, die Stadtgemeinde Kaiserswerth und Teile der Landgemeinden Wittlaer und Kalkum gemäß Grenzbeschreibung der Anlage A des Gestzes unter XXVII
d) Teile der Landgemeinden Erkrath, Ludenberg, Schwarzbach und Eckkamp gemäß Grenzbeschreibung der Anlage A des Gestzes unter XXIX
§31. Die Grenze zwischen der Stadtgemeinde Düsseldorf und der Landgmeinde Büderich des Kreises Neuss wird (nur) berichtigt
§32. Das Amt Benrath des Landkreises Düsseldorf wird aufgelöst.“[2]

Link zur Karte bei Umap.Openstreetmap.fr.

(Die Karte orientiert sich an den „Skizzen zur Eingemeindung 1929“ [1], Abb.82, S.401] und ist stark schematisch. In rot die Altstadt innerhalb des alten Festungsrings, in blau die Stadtgrenzen bis 1909,  in beige  die Stadtgrenzen vor 1929 und in grün die Stadtgrenzen nach 1929)

Aber nicht nur für die eingemeindeten Städte und deren Traditionen war der 1.August 1929 ein tiefer Einschnitt. Auch die Düsseldorfer fürchteten sich um die Identität der Stadt. Bereits 1920 hatte sich die Bürgergesellschaft „Alde Düsseldorfer“ gegründet, 1922 entstand die Ortsgruppe „Heimatbund Alt-Düsseldorf“ des Rheinischen Heimatbundes, 1932 gründete sich der Heimatverein „Düsseldorfer Jonges“.[3]
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[1] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S. 401.
[2] zitiert nach: Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S.406.
[3] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S. 395-408.
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